Paul – chronisch im Einsatz
Paul Hornbostel
Wohnort: Hannover
Alter: 23 Jahre
Beruf: Notfallsanitäter
Rheuma: reaktive Arthritis und Morbus Bechterew
„Wir wissen nie, was uns erwartet, so ist das in dem Job“, sagt Notfallsanitäter Paul Hornbostel und zieht sich seine Dienstjacke über. Gleich beginnt Pauls Schicht auf der DRK-Rettungswache Zeißstraße in Hannover. Fünf bis sechs Einsätze kommen im Durchschnitt pro Acht-Stunden-Schicht herein.
Notfallrucksack „ordentlich schwer“
Was er immer zum Einsatz aus dem Rettungswagen mitnimmt? „Sauerstoff, die Medikamententasche, den Notfallrucksack – der ist ordentlich schwer“, sagt Paul. „Wenn ich den hochhebe, kann es schon mal geschehen, dass es mir ordentlich ins Gesäß schießt.“ Denn Paul hat Rheuma: reaktive Arthritis, zu der sich Morbus Bechterew entwickelt hat. Bei Morbus Bechterew befallen entzündliche Prozesse vor allem das Kreuz-Darmbein-Gelenk und die Wirbelsäule. Erste Symptome sind bei ihm mit 17 Jahren aufgetreten. „Erst nach einer sehr anstrengenden Suche mit zahlreichen Arztbesuchen wurde bei mir Rheuma festgestellt. Aber für mich stand von Anfang an fest, davon lasse ich mich nicht unterkriegen“, sagt Paul.
Rheuma bei Bewerbung nicht angegeben
Bei der Bewerbung zur Notfallsanitäter-Ausbildung hat er nicht angegeben, dass er Rheuma hat. „Ich hatte Sorge, dass ich die Stelle nicht bekomme. Ich wollte sie aber haben und ich bin fit. Ich habe von meinem Rheuma erzählt, als ich angefangen habe. Niemand fand es schlimm, dass ich es nicht früher mitgeteilt habe, oder für die Arbeit bedenklich. Natürlich weiß ich, dass es ein Beruf ist, wo der Körper funktionieren muss.“
Bewegung gegen körperliche Belastung
Paul hat seine Ausbildung inzwischen erfolgreich abgeschlossen und ist übernommen worden. Wo lässt er die körperliche Belastung von Beruf und Rheuma? „Ich versuche, mich regelmäßig nach der Arbeit noch zu bewegen, gehe schwimmen oder ins Fitnessstudio, und mache gezielt Übungen für die Gelenke.“ Wo lässt er die physische Belastung seines Arbeitsalltags? „Sobald ich die Dienstkleidung ablege, ist es gut. Natürlich erinnere ich mich an meinen ersten Toten. Aber: Das gehört dazu.“
Vom Notfallsanitäter zum Kinderarzt
Macht sein Rheuma den Beruf auch auf lange Sicht mit?„Ich glaube, dass ich körperlich trotz Rheumas auch in vielen Jahren noch dazu in der Lage wäre, ihn auszuüben. Jedoch hoffe ich, dass das mit dem Medizinstudium klappt und ich dann meinen Beruf als Kinderarzt bis zur Rente ausüben kann. Aber während des Studiums möchte ich weiter als Notfallsanitäter arbeiten – hier auf der Wache, hier fühle ich mich richtig wohl.“
Interview mit Pauls Arbeitgeber
Ralf Antabi, Fachbereichsleiter Aus-, Fort- und Weiterbildung und Schadensma-nagement beim DRK-Rettungsdienst Hannover, wählt Mitarbeiter wegen ihrer Einstellung zum Beruf und der Grundsätze des DRK aus. Wir haben mit Ralf Antabi gesprochen:
Herr Antabi, sehen Sie Vorteile von Pauls Erkrankung für seine tägliche Arbeit? Kann er sich dadurch besser in die Patienten einfühlen?
Paul Hornbostel sticht durch seine Leistungen und seine Sozialkompetenz hervor. Inwieweit dies mit seiner Erkrankung zusammenhängt, mag ich nicht beurteilen. Er ist ein guter Teamplayer und angesehener Auszubildender und Mitarbeiter.
Wie würden Sie eine längere Fehlzeit von Paul kompensieren?
So wie bei jedem anderen Mitarbeiter. Wir sind in einem risikohohen Arbeitsbereich tätig und müssen aus verschiedenen Gründen immer mit Personalausfällen rechnen. Wir haben daher ein System etabliert, das auf zwei Ebenen greift, um Personalausfall abzufedern. Ebene eins ist ein Verfügungsdienst, bei dem immer eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter als Ersatz eingeplant ist. Ebene zwei ist eine zusätzliche Rufbereitschaft. Diese Ebenen geben uns Sicherheit, um Ausfälle zu kompensieren.
Würden Sie immer wieder jemanden mit chronischer Erkrankung einstellen?
Wir stellen Mitarbeiter wegen ihrer Einstellung zum Beruf und unserer Grundsätze ein. Wenn jemand dies so mit Leben erfüllt wie Paul Hornbostel, haben wir für die uns anvertrauten Menschen alles richtig gemacht.
Was würden Sie anderen Arbeitgebern empfehlen, die noch überlegen, ob sie jemanden mit Rheuma einstellen möchten?
Nur, weil ein Mensch ein Handicap hat, muß es nicht zwingend bedeuten, dass er für einen Beruf nicht geeignet ist. Die Entscheidung muß immer individuell getroffen werden. Die Möglichkeit sollte immer berücksichtigt werden.